Obernauer Kapelle

3OO Jahre Waldkapelle „Maria Frieden“ 1712 – 2012

Hoch droben im Obernauer Wald wurde vor langer Zeit aus Dankbarkeit zu Ehren der Mutter Gottes eine Kapelle errichtet. Nach der Legende ist das Fest Mariä Geburt am 8. September der Jahrtag der Entstehung der Gnadenkapelle. Wann die Kapelle gebaut wurde , lässt sich nicht mehr feststellen. Jedoch trägt der ursprüngliche Teil der Kapelle mit dem Marienbild, der jetzt als Chorraum dient, die Jahreszahl 1712. Sie ist der schmerzhaften Mutter Gottes gewidmet. Sie soll von den drei Ortsbürgern Hößbacher, Börger und Bergmann erbaut worden sein. Mit der Entstehung dieser kleinen Kapelle befassen sich zwei Sagen, von denen die erste noch eine Variante aufweist.

Die Sage:
1. Ein reicher Mann begann am Fest Mariä Geburt noch vor Mitternacht, also bevor das Fest richtig zu Ende war, seine Wiese am dortigen Waldrand zu mähen. Unter einem Eichbaum dengelte er seine Sense. Da kam ein Nachbar vorbei, der in einem nahen Dorf gezecht hatte und nun den Reichen hänselte, weil er zur Unzeit mähte. Es kam zum Streit, und der Mäher wurde dabei mit seiner eigenen Sense erschlagen. Zur Sühne des doppelten Frevels, der Schändung des Feiertags und des Totschlags, stifteten Verwandte des Erschlagenen ein Muttergottesbild und stellten es bei der genannten Eiche auf. Aber man hörte dort alljährlich acht Tage vor und nach Mariä Geburt ein geisterhaftes Dengeln. Deshalb erbaute man bei der Eiche ein Kapellchen und stellte das Marienbild darin auf.
Die Variante behauptet, das Kapellchen stand schon vorher, und der Geizige dengelte seine Sense dort am Opferstock, was den Vorübergehenden zum Totschlag reizte. Der Leichnam des Erschlagenen verschwand bald auf geheimnisvolle Weise; aus der Tiefe vernahm man nur jenes geheimnisvolle Dengeln.
2. Ein Hirte hörte aus einer Buche(!) ein leises Singen und Klingen. Später wurde der Baum gefällt, und man fand im Innern ein kleines, schlichtes Muttergottesbild, an dem zuvor die Axt des Holzfällers abgeprallt war. Man errichtete an der Stelle des Baumes ein Bildstock, später dann eine Kapelle.

Das Dengeln will Maria Gerlach aus der Hauptstrasse 44 in Obernau noch während des Ersten Weltkrieges, hauptsächlich um das Fest Mariä Geburt, sehr laut gehört zu haben. Nach dem Umbau der Kapelle habe sie aber nichts mehr gehört. Sie weiß auch zu erzählen, dass auf der alten Kapelle Kreuze gelegen haben, die nachts von Kreuzträgern (Wallfahrern) hingetragen wurden.

Die Kapelle:
Der Türstock der alten Kapelle trug die Jahreszahl 1712. Im Jahre 1844 wurde in Erfüllung eines Gelübdes ein hölzerner Vorbau errichtet und das Kreuz angebracht. Am 24. April 1913 ließ Pfarrer Kilian Huber in der Zeitung schreiben, dass der Innenraum der Kapelle nur einige Beter fasse, in einem einer Gnadenkapelle unwürdigen Zustand und deshalb eine Restauration und Erweiterung sehr am Platze

sei. „Aber dazu braucht man drei Dinge: 1.Geld, 2.Geld und 3.Geld.“ Wie er in einem Bittbrief am 24. September 1920 nach Amerika schrieb, schwang er den „Bettelsack“ für die Gnadenkapelle nicht nur in Obernau, Schweinheim, Aschaffenburg und überall in der Umgebung, sondern auch über den Ozean im „Goldlande Amerika“. Seine Bitte wurde u.a. von dem 30 Jahre zuvor ausgewanderten Louis (Alois) Autz in Louisville/Kentucky erhört, der seiner Heimatgemeinde Obernau mit einem Brief vom 1.November 1920 für die Erweiterung der Kapelle einen Scheck i.H. von 10.000 M schickte. Aus Schweinfurt kamen 600 M und aus Ludwigshafen 100 M. Mit diesem Grundstock konnte nach den im Februar 1920von Architekt Otto Leitolf in Aschaffenburg ausgearbeiteten Plänen – nach seinen Plänen entstand auch das Obernauer Pfarrhaus – die Erweiterung der Kapelle zu einer Kriegergedächtniskapelle in Angriff genommen werden.

Der gute Baufortschritt und die Unterstützung durch Förderer ermöglichten bereits am 1. Mai 1921 die Segnung der zur Kriegergedächtniskapelle erweiterten Gnadenkapelle. Das bischöfliche Ordinariat in Würzburg hatte am Vortag die Genehmigung zur Benediktion erteilt.
Die Kriegerehrentafel wurden in Massiveiche Ende 1921 angefertigt.

Im Zuge der Beschaffung von drei neuen Glocken für die Pfarrkirche erfüllte Pfarrer Alois Kirchgäßner auch einen lang gehegten Wunsch der Gläubigen: Die Aufhängung eines Glöckchens im Türmchen der Gnadenkapelle. Wie alle übrigen Glocken musste auch dieses Glöckchen am 25. Februar 1942 zum Einschmelzen für Kriegszwecke abgeliefert werden. Auf der Heimfahrt von der Arbeit wollte ein Bürger unseres Dorfes unter den am Südbahnhof in Aschaffenburg gesammelten Glocken auch das Glöckchen der Gnadenkapelle erkannt haben, holte es heimlich in der Nacht in einem Sack zurück, versteckte es zunächst unterm Heu in seiner Scheune, bis er es dann vergrub. Nach Kriegsende übergab er es Pfarrer Julius Pfister, der es wieder in das Türmchen der Kapelle hängen ließ. Es stellte sich aber heraus, dass dieses Glöckchen einem Schiffsmann gehörte und dieser es zurück forderte. Im Januar 1946 stiftete der aus Obernau stammende Adam Wolfert in Miltenberg ein neues Glöckchen.

Im September 1932 war ein neuer Gnadenaltar für die Kapelle von der Altarbaufirma Engelbert Hein in Altmühldorf b.Mühldorf am Inn im Rokokostil ausgeführt und aufgestellt worden.
Das mit oberhirtlicher Genehmigung restaurierte Gnadenbild, eine mehrere hundert Jahr alte Pieta aus Ton (es war die unschöne Übermalung gänzlich entfernt und im ursprünglichen Terrakotta wieder hergestellt worden) wurde in einer Prozession zur Kapelle begleitet und am 25. Juni 1937 neu gesegnet.

Die Festtage:
Am 1. Maisonntag (Maria Schutzfest), zur feierlichen Andacht am Nachmittag kommen Prozessionen aus der Aschaffenburger Innenstadt (Unsere liebe Frau, Stift u.St.Agatha), aus Schweinheim, Gailbach und Sulzbach und am Patroziniums- und Bruderschaftsfest Maria Schmerz am 15. September feiern die Obernauer morgens den Festgottesdienst und nachmittags nochmals eine feierliche Andacht. Später wurden auch die Gedenktage Kreuzauffindung (3.Mai) und Kreuzerhöhung (14.September) als die Kapellenfesttage gefeiert. Eine vor Jahrhunderten zur Pestzeit gelobte St. Rochus-Prozession (Vortag des Festes Maria Himmelfahrt, 15.August) wurde vor einigen Jahren durch die Pfarrei St. Kilian, Aschaffenburg-Nilkheim wieder aufgenommen.

Im „Fränkischen Marienweg“, (dem Rad- und Wanderweg zu 50 Marienwallfahrtsorten und Gnadenstätten in Unterfranken) zusammengestellt von Pfr. Josef Treutlein, findet man unsere Obernauer Kapelle auf der Route 1 – Westschleife unter Station 12. www.fraenkischer-marienweg.de

Zu unserer Obernauer Kapelle führt ein Kreuzweg. Beginnend an der Wendelinus-Kapelle (Eingang zum Waldfriedhof, vorbei an der Lourdes-Grotte zur Kapelle „Maria Frieden“. Geschaffen wurden die Bildhäuschen vom Architekten der Kapelle Otto Leitolf, die Bildnisse stammen von den Würzburger Bildhauern Helmuth und Arnulf Weber.

Quelle: Obernau 1191 – 1991 Beitrage zu Vergangenheit und Gegenwart, H-B Spies u. R. Welsch
Obernau Einst und Heute, Dorfbild im Wandel der Zeit, Horst Schäfer (Klaus Hapke)

Wallfahrtslied
zur Gnadenmutter an der Obernauer Kapelle

Wo still in grüner Waldesaue
die heilige Kapelle steht.
Dahin vom weiten Mainesgaue,
die Schar der frommen Pilger geht:
da zieh´n auch wir, Maria mild,
zu deinem hehren Gnadenbild
und flehn um Hilf an Gottes Thron
durch dich bei Jesus, deinem Sohn.

In deinen Fragen, deinen Sorgen,
bei deiner Suche nach dem Ziel
warst in der Jugend du geborgen
bei Menschen, die dir gaben viel.
D‘ rum bitten wir dich, o Maria,
begleit‘ die Eltern unsrer Zeit
| : und mach zum Glauben sie bereit : |

Du sagtest Ja zu Gottes Willen,
erklärtest dich für ihn bereit;
halfst seinen Plan für uns erfüllen;
sein Sohn wurd‘ Mensch in uns’rer Zeit.
Hilf uns, Maria, Mutter Gottes,
zu finden Jesus, deinen Sohn,
| :der führt‘ uns all an Gottes Thron. : |

In Kana siehst du uns’re Leere,
erkennst den Mangel und die Not;
bittest den Sohn, dass er vermehre
den Wein, den man den Gästen bot.
O, bitt auch heut‘, du, uns’re Mutter
in allen Sorgen uns’rer Zeit
| : und mach‘ für Jesus uns bereit. : |

Dein Sohn ist seinen Weg gegangen,
bis ganz ans Ende, bis zum Tod,
gab sich für alle Welt gefangen,
nahm auf sich aller Menschen Not.
Wir sehen, Mutter, deine Schmerzen
und bitten dich in unserm Leid
| : gib Hoffnung uns für alle Zeit. : |

Um Gottes Frieden wir dich bitten
für alle Menschen – weit und breit.
Die Menschheit hat genug gelitten
an Kriegen, an Gewalt und Streit.
Hilf uns, o Königin des Friedens
im Geiste, der zusammen hält,
| : zu bauen die versöhnte Welt. : |

Melodie: Gott Vater schau auf Deine Kinder
Text: Pfr. Wolfgang Kempf

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